Angehende Mediziner üben das respektvolle Patientengespräch
Medizin ist ein Studiengang, der in einem eng begrenzten Rahmen auf mögliche Berufe vorbereitet. Der Großteil meiner Kommilitonen wird in nicht allzu ferner Zukunft als praktizierender Arzt, praktizierende Ärztin tätig sein, ein paar Spalter verschlägt es vielleicht in die Laboratorien und Vorlesungssäle der Kliniken oder auf ganz andere Abwege.
Was uns alle verbindet, ist ein schier unüberschaubarer Berg an Fakten, die es auswendig zu lernen gilt. Doch neben all diesem theoretischen Wissen spielt beim Beruf des Arztes das persönliche Auftreten dem Patienten gegenüber als kompetente Vertrauensperson eine ebenso große Rolle: der erste Patientenkontakt, das erste Gespräch, der erste Eindruck.
Die adäquaten Verhaltensweisen in wechselnden, zum Teil hektischen oder emotionalen Situationen sind bedauerlicherweise nicht vom Blatt zu lernen. Vielmehr machen Erfahrung und Taktgefühl den Unterschied.
Doch inwieweit kann das Studium mich auch hier gut vorbereiten?
Nach den trockenen, vorklinischen Studienabschnitten bemerkte man schnell, wie sich die Lehre im klinischen Teil verändert. Anamneseübungen, Rollenspiele, theoretische Überlegungen zu den Qualitäten, die ein Arzt haben sollte, stehen jetzt im Mittelpunkt der Seminare. Worte wie „Authentizität“, „Empathie“, „Kompetenz“ schweben im Raum und mit dem übergestreiften, noch ein wenig zu großen weißen Kittel wird das typische Erstgespräch geführt. Die Universitäten geben sich viel Mühe, ganz spielerisch einen Rahmen zu schaffen, in dem die ersten Gehversuche mit Schauspielpatienten gemacht werden.
Die Anamneseschemata sitzen mittlerweile, brav auswendig gelernt, auch hier, nur die natürliche Gesprächsführung ist noch holperig. Die passenden Worte und richtigen Gesten zu finden, um ein Gespräch auf emotionaler Augenhöhe zu führen, ist mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen des Studiums.
Und auch nach den Ausbildungsjahren ist es eine feine Kunst, den Patienten mit gebührendem Respekt zu begegnen, um ihn im Gegenzug als Kunden zu behalten.
Hier gilt es ganz besonders, sich wohl gewählte Vorbilder zu suchen, um, wie Thure von Uexküll, nie den Ehrgeiz zu verlieren, dem Patienten auf eine angemessene, sensitive Art in all seiner Individualität gerecht zu werden.
„Guten Tag, Herr Doktor!“ Er ist neu auf der Station, aber schon ein erfahrener Assistenzarzt. „Ich bin Ihr zuständiger Sozialarbeiter und gehe jeden Freitag mit zur Visite.“
Ein leichtes Flackern in den Augen, ein verlegenes „Eh, ja, ist gut!“
Als wir zum Ende der Visite aus dem letzten Patientenzimmer auf den Gang treten, dreht er sich zu mir um: „Herr Fromm, das war ja heute eine richtige Sprechvisite!“
Liebe Ärzte, und was macht ihr, wenn kein Sozialarbeiter mitgeht?
Eine sehr junge Ärztin verabschiedete sich beim Wechsel auf eine andere Station: „Vielen Dank, ich habe viel über Gesprächsführung gelernt.“