Effektiv und sicher kommunizieren im Krankenhaus: das Tool SBAR

Aktuell

Kommunikationstool SBARDie Weitergabe klinischer Informationen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen ist einer der zentralen Prozesse in der Patientenbehandlung (Manser/Foster 2011). Da ein Patient nicht immer von der gleichen Gruppe von Personen rund um die Uhr oder am gleichen Ort betreut werden kann, ist es wichtig an den Übergabezeitpunkten alle relevanten Informationen möglichst ohne Verluste und Veränderungen zu übergeben. Im anglo-amerikanischen Sprachraum ist die Nutzung von Kommunikationswerkzeugen (Tools) zur fokussierten Kommunikation im Krankenhaus deutlich weiter verbreitet als in Deutschland.

In unseren Breiten gibt es diese Tools eher in anderen Hochrisikobereichen wie der Luftfahrt oder bei der Feuerwehr. Neben dem unten vorgestellten SBAR-Verfahren gibt es weitere Empfehlungen zur strukturierten Informationsweitergabe (z.B. Leitlinien der Studer Group für das Pflegepersonal, 2007; SHARED, Australien (ACSQHC), 2011; SHARE, USA, Joint Comm. 2013; Three Ws, NCPS, 2011).

Ca. 80% aller ernsthaften Fehler im Behandlungsablauf involvieren fehlerhafte Kommunikation während der Übergabe von Patienten. Die meisten vermeidbaren unerwünschten Ereignisse lassen sich auf insuffiziente Kommunikation zurückführen (Solet et al 2005).

Eine strukturierte, fokussierte Kommunikation unterstützt dabei die fehlerfreie Weitergabe von Informationen erheblich.

Das Kommunikationstool SBAR

Das SBAR-Modell, ein standardisiertes Kommunikationswerkzeug, war ursprünglich von der US-Navy als ein Mittel eingesetzt worden, um eine systematische Sprachregelung einzuführen, die Missverständnisse in der Kommunikation reduzieren sollte, die oftmalig in Katastrophen enden konnten, so z.B. beim Einsatz auf Flugzeugträgern. Dieses Kommunikationsprotokoll mit den vier Abschnitten Situation, Hintergrund (Background), Feststellungen (Assessment) und Empfehlungen (Recommendation) wurde als hilfreich für wichtige Übergabesituationen in der Medizin gesehen und als erstes in den USA von Kaisers Permanent 2003 eingeführt. Es diente als ein Rahmen um Gespräche zwischen Ärzten und Pflegekräften in Situationen zu strukturieren, die unmittelbare Aufmerksamkeit erforderten. SBAR war von Anfang an im Gesundheitsbereich als eine Maßnahme erkannt worden, die die Genauigkeit und die Effizienz von Kommunikation von verschiedenen Situationen im Versorgungsbetrieb steigern kann. SBAR wurde so als ein Kommunikationswerkzeug gesehen, was das Verständnis zwischen Leuten, die mehr oder weniger oft miteinander kommunizierten, verbessern sollte, weil sie bislang nicht in der gleichen Sprache oder auf die gleiche Art und Weise kommunizieren.

Wie in der Abbildung SBAR gezeigt, wird unter Situation nach einer Vorstellung des Sprechers kurz der betroffene Patient identifiziert, die momentane Situation beschrieben mit einigen festgelegten gesundheitstechnischen Daten z.B. Bewusstseinszustand, Operationsfähigkeit, Vitalzeichen etc.

Unter Vorgeschichte oder Background wird eine kurze Zusammenfassung präsentiert zum Grund des aktuellen Aufenthaltes, wesentlichen Vorerkrankungen und wichtigen Daten im zwischenzeitlichen Verlauf.

Unter Einschätzung der Situation oder Feststellung (Assessment) wird die Gesamtsituation gewürdigt, sich verändernde oder bedeutsame Parameter benannt, ggf. eine Verdachtsdiagnose geäußert oder eine Einschätzung geliefert.

Als Empfehlung (Recommendation) wird dann je nach Situation vorgebracht, was der Sprecher an Vorstellungen hat, wie sich der Zuhörer (Empfänger) verhalten soll, z.B. sofort vorbeikommen, einen Kommentar geben, eine Anweisung geben etc., ggf. auch die Frage, was getan werden soll oder könnte.

Insgesamt sollten sich diese vier Bausteine in festgelegter Reihenfolge in maximal 1,5-2 Minuten abhandeln lassen. Durch SBAR wird eine gemeinsame Sprache etabliert und eine gemeinsame Erwartung, was man im Laufe der Meldung kommuniziert bekommt.

Meldung bei kritischen Situationen (Beispiel)

S Situation

Hallo hier ist [eigener Name]

Es geht um [Pat. Name, Alter] auf [Station mit Zimmernummer]

Ich habe den Patienten gerade gesehen.

Die Situation ist folgende […]

Pat. ist [Bewusstseinszustand, Kooperationsfähigkeit…]
Vitalzeichen sind [RR], [Puls], [Atemfrequenz], [Temperatur]

Ich mache mir Sorgen, weil […]

B Background – Vorgeschichte

Der Patient ist hier weil [wie lange, weswegen und Verlauf in einem Satz…]
Besonderheiten dazu sind […]

 

A Assessment – Einschätzung der Situation / Tendenz

Ich bin nicht sicher, aber der Patient verschlechtert sich.

oder

Ich glaube, es handelt sich um […]

R Recommendation – Empfehlung

Mein Wunsch ist, dass Sie […]

  • jetzt kommen
  • den Patienten verlegen
  • mit den Angehörigen reden

Soll ich schon irgendetwas  tun oder vorbereiten? Brauchen wir noch etwas?

Letztlich kann SBAR als Hilfsmittel in jeglicher Art von klinischer Übergabesituation sinnvoll zum Einsatz kommen. Das hier vorgestellte Ausgangsmodell, die ins Deutsche übersetzte Fassung der englischen Version, ist an die ortstypischen Gegebenheiten und die Art der Übergabe anzupassen. Dabei wird es auch Unterschiede je nach Fachdisziplin geben. Das Grundprinzip ist jedoch immer gleich und für den Anwender leicht verständlich. Mögliche Anwendungsszenarien sind:

  • Meldung bei kritischen Situationen (z.B. Nachtdienst)
  • Übergabe zwischen den Schichten (pflegerisch wie ärztlich)
  • Verlegung auf andere Station
  • Einstieg in ausführliche Fallbesprechung, z.B. M+M Konferenzen
  • Übergabe zwischen OP und Transportdienst

Ausblick

Die AG Kommunikation in Qualitäts- und Risikomanagement der GQMG (Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kommunikationswerkzeuge für Schwerpunkte der Kommunikation im Krankenhaus für den deutschen Sprachraum aufzubereiten, für die sich die Wirksamkeit wissenschaftlich belegen lässt und welche sich im Alltag bewährt haben. Darüber hinaus unterstützt die AG die Einführung dieser Kommunikationswerkzeuge im klinischen Kontext.

Die GQMG fordert alle Akteure in der der Gesundheitsversorgung auf, den Stellenwert der Kommunikation in ihren Arbeitsbereichen zu priorisieren und die Kommunikationswerkzeuge zu integrieren. Es lohnt sich!

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Stefan Pilz – Göttingen. Der Autor ist über medemus erreichbar.

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