Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappt durchs Land

Gesundheit, Medizinmanagement ,

WillkommenEuropa steht vor seiner größten Herausforderung. Tausende verzweifelte Flüchtlinge kommen jede Woche nach Deutschland, in der Hoffnung, hier in Frieden und Sicherheit mit ihren Familien leben zu können. Hunderttausende werden in den nächsten Monaten und Jahren noch folgen.

Viele sind von Syrien monatelang teils zu Fuß durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen oder haben ihr letztes Geld an Schlepperbanden gezahlt, denen ihr Leben völlig egal ist! Kinder, Schwangere, Alte und verletzte Menschen haben dieses Martyrium auf sich genommen, weil es immer noch besser für sie war, als weiterhin der Gefahr von Heckenschützen oder Vergewaltigern ausgesetzt zu sein.

Diese Menschen haben Glück gehabt, sie haben zumindest überlebt. Viele von ihnen sind aber krank und bedürfen dringend medizinischer Hilfe.

Beamten-Deutsch

Wir haben nicht nur die moralische Verpflichtung diesen Menschen zu helfen, im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 4 AsylbLG, § 6 AsylbLG) ist auch die Krankenversorgung geregelt:

  • Medizinische Versorgung, (zahn-)ärztliche Hilfe und sonstige erforderlichen Leistungen müssen bei allen akuten oder akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen gewährt werden.
  • Medizinische Versorgung, (zahn-)ärztliche Hilfe und sonstige erforderlichen Leistungen müssen bei allen mit Schmerzen verbundenen Erkrankungen gewährt werden.
  • Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, wenn dies unmittelbar notwendig ist (z. B. bei Verlust aller Zähne).
  • Bei Schwangerschaft und Geburt erhalten Frauen alle auch für Deutsche üblichen medizinischen Leistungen bei Arzt und Krankenhaus, sämtliche Vorsorgeuntersuchungen für Mutter und Kind, Hebammenhilfe, Medikamente und Heilmittel.
  • „Sonstige“ medizinische Leistungen (z. B. Psychotherapie nach Kriegserfahrungen) müssen gewährt werden, wenn dies “zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich” ist.

Akut oder chronisch – das ist hier die Frage

Regelungen zur medizinischen Versorgung machen in der Praxis teilweise Schwierigkeiten. Manche Mediziner sind verunsichert und tun daher nicht alles, was nötig bzw. möglich wäre. Damit der Arzt die Flüchtlinge behandelt, muss in der Regel ein Krankenschein vorliegen. Manche Sozialämter aber lehnen Anträge auf Krankenscheine ab oder schicken Flüchtlinge, die darum bitten, wieder weg, weil sie meinen, die Krankheit sei nicht akut, sondern chronisch. Das ist rechtswidrig, weil nur ein Arzt feststellen kann, ob der Patient akut krank ist und möglicherweise eine fatale Zeitverzögerung. Leider gibt es noch mehr Probleme, vor allem bei der Verordnung von Hilfsmitteln wie Brillen, Hörgeräten, Prothesen und Rollstühlen. Diese Situation ändert sich erst, wenn die Asylbewerber 15 Monate Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten haben. Die Krankenversicherung gewährt dann die gleichen Leistungen, wie bei deutschen Mitgliedern, Versichertenkarte inklusive.

Dieser kurze Exkurs in die trockene Gesetzgebung zeigt die Dringlichkeit auf, mit der wir das Problem der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen angehen müssen. In einigen Städten und Gemeinden wurden mit großem Erfolg bereits verrentete Ärzte gefragt, ob sie ihr Fachwissen unentgeltlich den Flüchtlingseinrichtungen, wo hoher Bedarf an medizinischem Fachpersonal besteht, zur Verfügung stellen. Die Versorgung der Migranten allerdings wird so auf Dauer wahrscheinlich nicht sichergestellt werden.

Private Initiativen

In Berlin gibt es ein Büro für medizinische Flüchtlingshilfe, in dem qualifizierte medizinische und zahnmedizinische Behandlungen angeboten werden. Menschen, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keine Krankenversicherung haben, werden hier kostenlos und vor allem anonym behandelt. Bei den vorangehenden Beratungsgesprächen sind immer zwei Personen anwesend, davon mindestens eine Frau.

Kreativität ist also gefragt und vor allem Schnelligkeit. Je schneller wir die Integration der Migranten vorantreiben, Sprachkurse realisieren und ihnen Arbeit beschaffen, desto schneller wird unser Sozialsystem entlastet, weil sie ihren Lebensunterhalt und ihre Krankenversicherung selbst erarbeiten. Bei dem Fachkräftemangel in Deutschland dürfte das eines der kleineren Probleme sein!

2 Responses to Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappt durchs Land

  1. Schwarz

    Genau so sehe ich das auch. Der Artikel bringt es auf den Punkt: Je schneller die Migranten unsere Sprache lernen, desto besser können sie in unseren Arbeitsalltag integriert werden und entlasten mit ihrem eigenen Einkommen unsere Sozialkassen. Das neu gewonnene Selbstwertgefühl dieser Menschen ist auch nicht zu unterschätzen!

     
    • Schwarz

      Noch ein Beispiel für gelungene Integration und interkulturelles Zusammenleben: Vor einigen Tage sprach mich in der Stoffabteilung eines großen Kaufhauses eine (wie sich später herausstellte) Irakerin an und bat mich um den Rat, welcher von den beiden Stoffen in ihrer Hand wohl am besten zu einem neuen Kopftuch passen würde. Es entspann sich ein sehr nettes Gespräch unter Frauen, wie es täglich hunderttausendfach in Deutschland abläuft, dass es aber gerade um dieses viel diskutierte Thema zwischen einer Deutschen und einer Irakerin ging, hat mich doch sehr berührt. Solche alltäglichen Kontakte zeigen, dass die Menschen gar nicht so unterschiedlich sind, wie immer befürchtet!

      Magdalena Müller

       

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