Depression im Alter

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Symptomverschiebung und erschwerte Diagnostik

Depression im AlterImmer öfter werden Depressionen bei älteren Menschen nicht erkannt, weil diese sich – anders als bei jüngeren Patienten – vor allem durch körperliche Symptome wie Bauch-, Kopf- oder Rückenschmerzen äußern. Durch diese Symptomverschiebung wird die Diagnostik von Depression bei älteren Patienten deutlich erschwert.

Veränderte Symptomatik der Depression im Alter

Wer an Depression denkt, denkt meist an klassische Symptome wie Niedergeschlagenheit, Rückzug oder den Verlust der Freude an Dingen, die einem früher immer Spaß bereitet haben. Dabei wird allerdings oft vergessen, dass Depressionen auch mit körperlichen Symptomen einhergehen. So leiden viele Depressive an Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsschwankungen oder Schmerzen. Insbesondere bei älteren Patienten treten jedoch diese Symptome in den Vordergrund. Die emotionale Symptomatik tritt also hinter der stärker akzentuierten körperlichen Symptomatik zurück. Dies führt zu großen Problemen in der Diagnostik.

Schlechtere Erkennung von Depressionen im Alter

Durch die Symptomverschiebung hin zu mehr körperlichen Symptomen werden Depressionen im Alter generell schlechter durch den Hausarzt erkannt. Gleichzeitig haben gerade ältere bzw. geriatrische Patienten oft körperliche Erkrankungen (Komorbidität) und nehmen häufig regelmäßig Medikamente ein. So werden Depressionssymptome wie Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen entweder gar nicht erkannt oder fälschlicherweise für Nebenwirkungen von Medikamenten gehalten. Außerdem können Depressionen auch als Symptome von Erkrankungen auftreten. So entwickeln beispielsweise viele Patienten nach einem Schlaganfall eine sogenannte Post-Stroke-Depression, also eine Depression, die aufgrund des vorangegangenen Schlaganfalls auftritt.

Demenzsymptome als Zeichen einer Depression

Ein weiteres Symptom von Depression können Probleme mit dem Gedächtnis sein. Geriatrische Depressionspatienten klagen darüber, „gar nichts mehr zu können“ und das Denken ist verlangsamt. Diese Symptome unterscheiden sich wesentlich von einer Demenz und dürfen nicht verwechselt werden. Allerdings deutet die aktuelle Forschung darauf hin, dass eine Depression im Alter ein Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz sein kann (1).

Risiken der Depression im Alter

Es wird deutlich: eine Depression im Alter geht mit Risiken einher. So begehen 10-15% der Patienten Suizid. Zur depressionstypischen Rückzugssymptomatik kommt insbesondere bei den älteren Patienten häufig eine bereits bestehende Immobilität hinzu – sie sind oft körperlich eingeschränkt, sitzen beispielsweise im Rollstuhl oder kommen aufgrund von anderen Erkrankungen weniger aus dem Haus als jüngere Patienten. Auch haben sie oft weniger soziale Kontakte, möglicherweise ist der Ehepartner ebenfalls krank oder bereits gestorben und die Kinder sind schon lange aus dem Haus. Diese Umstände können natürlich dazu führen, dass die Patienten immer tiefer in die Abwärtsspirale der Depression rutschen.

Bessere Diagnostik ist lebenswichtig

Fakt ist: eine unbehandelte Depression im Alter kann zu einer negativen Beeinflussung anderer (komorbider) Krankheiten und letztlich zu einer höheren Mortalität führen (2). Bei Depression im Alter ist eine richtige Diagnostik außerordentlich wichtig, um eine adäquate Behandlung (medikamentös wie verhaltenstherapeutisch) zu ermöglichen. Depressionen sind im Alter grundsätzlich nämlich genau so gut behandelbar wie bei jüngeren Patienten (3). Nur mit der richtigen Behandlung kann die Lebensqualität der Patienten gesteigert und das Risiko anderer Krankheiten vermindert werden.

Für die Zukunft wäre es wichtig, dass speziell in dieser Altersgruppe von Patienten die Alarmglocken klingeln, wenn Patienten immer wieder mit unterschiedlichen somatischen Symptomen den Arzt aufsuchen. Es macht keinen Sinn, nur die Symptome wie Bauchschmerzen zu behandeln, stattdessen muss die zugrundeliegende Depression behandelt werden. Dies ist nur möglich, wenn Hausärzte, die ja meist die Anlaufstelle solcher Patienten sind, gut geschult sind und auf mögliche Depressionssymptome achten

Und wie lässt sich eine Depression im Alter vorbeugen?

Der Ratgeber Depressionen des Palverlags (4)  liefert Vorschläge, durch die der Entstehung einer Depression im Alter vorgebeugt werden soll. Demnach sollen auch im hohen und höheren Alter Hobbies und Interessen aufgebaut und gepflegt werden und – je nach körperlicher Verfassung – Wert auf körperliche Betätigung gelegt werden. Wichtig sind natürlich auch soziale Beziehungen, die aufgebaut und gepflegt werden müssen. Vielleicht können ältere Menschen sich in Vereinen oder bei ehrenamtlichen Tätigkeiten engagieren und so Kontakte zur Außenwelt pflegen und sich gleichzeitig „gebraucht“ fühlen.

Für uns jüngere Menschen gilt: lassen Sie uns die Älteren unserer Gesellschaft nicht vergessen, sondern sie stattdessen einbinden und ernstnehmen. Die (Groß-)Eltern freuen sich immer über gemeinsame Unternehmungen und die sozialen Kontakte und Bewegung werden ihnen auf jeden Fall gut tun.

Sie werden es Ihnen danken!

Quellen:

(1) Gao, Yuan; Huang, Changquan; Zhao, Kexiang; Ma, Louyan; Qiu, Xuan; Zhang, Lei et al. (2013): Depression as a risk factor for dementia and mild cognitive impairment: a meta-analysis of longitudinal studies. In: International journal of geriatric psychiatry 28 (5), S. 441–449. DOI: 10.1002/gps.3845.

(2) Avery D, Winokur G. (1976): Mortality in Depressed Patients Treated With Electroconvulsive Therapy and Antidepressants. Arch Gen Psychiatry 33(9):1029-1037. doi:10.1001/archpsyc.1976.01770090019001.

(3) G. Alexopoulos, S. Meyers, et al. (1996): Recovery in Geriatric Depression. Arch Gen Psychiatry 53(4):305-312

(4) https://www.palverlag.de/Depressionen-im-alter.html

One Response to Depression im Alter

  1. Stenzel

    Danke für den sehr interessanten Beitrag. Kann ich nur weiterempfehlen,
    möchte hier auf die Kodierfähigkeit eingehen:

    Spezifizierte Diagnosstellung wichtig – auch für die Beurteilung zur Kodierung: Depression oder auch schon Zeichen einer Demenz?

    Die ICD-10 lässt die Kodierung einer depressiven Episode ohne und mit somatischen Syndrom zu:
    Merkmale – einige Beispiele: wie folgt, sollten sich in der Dokumentation widerspiegeln:
    Interessensverlust,Verlust der Freude an angenehmen Aktivitäten,mangelnde Fähigkeit auf eine freundliche Umgebung emotional zu reagieren. Morgentief, deutlicher Appetitverlust, deutlicher Libidoverlust. Die ICD-10 hat hierfür folgende Hauptgruppen vorgesehen:
    F30 manische Episode
    F32 depressive Episode
    F33 rezidivierende depressive Störung
    F31 biopolare affektive Störung
    F34 anhaltende affektive Störung
    F38 sonstige affektive Störung

    Die Diagnosestellung einer demenziellen Erkrankung erfolgt nach den international anerkannten Kriterien des ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten). Da diese Diagnosen auch die Fallschwere erhöhen, ist dies besonders interessant:
    Die wesentlichen Voraussetzungen für die Diagnose, ist der Nachweis einer Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögen mit beträchtlicher Beeinträchtigung der Aktivität des täglichen Lebens, dies sollte sich sowohl in der Pflegedokumentation, als auch in den Fieberkurven abbilden.

    Für die Diagnosestellung eines demenziellen Syndroms sollten die erwähnten Symptome für mindestens sechs Monate bestehen.

    Die ICD-10 unterscheidet zwischen vier Demenz-Gruppen:

    F00: Demenz bei Alzheimerkrankheit
    – liegen sowohl eine Alzheimer-Krankheit, als auch vaskuläre Hirnläsionen (CT-Nachweis) in einem ebenfalls kognitionsbeeinflussendem Ausmaß vor, wird unter
    F00.2 Demenz bei Alzheimer-Krankheit bzw. gemischte Form verschlüsselt.
    F01: Vaskuläre Demenz
    F02: Demenz bei andernorts
    klassifizierten Erkrankungen
    F03: Sonstige Demenzen

    International werden häufig neben den Kriterien des ICD-10 für Demenz auch die Kriterien des DSM-IV („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) verwendet.

    Für die Alzheimer-Demenz kommen zusätzlich auch die Kriterien der NINCDS-ADRDA („National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke and the Alzheimer’s Disease and Related Disorders Association“), für die vaskuläre Demenz die Kriterien der NINDS-AIREN („National Institute of Neurological Disorders and Stroke and Association Internationale pour la Recherché et l´Enseignement en Neurosciences“) zur Anwendung.

    Eine spezifizierte Diagnosestellung und eine aussagekräfte Dokumentation, macht eine Rechnungslegung wasserdicht für eine MDK-Prüfung.

     

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