Niereninsuffiziienz im G-DRG-System

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Komplexer Einfluss auf die Fallschwere

Menschliche NierenDie Kodierung der Niereninsuffizienz hat im G-DRG-System einen komplexen Einfluss auf die Fallschwere und damit auch auf die Vergütung. Die Kodierung ist hier immer wieder sehr  umstritten, sowohl des akuten als auch des chronischen Nierenversagens.

Als Niereninsuffizienz bezeichnet man die Unterfunktion einer oder beider Nieren. Es kommt im Rahmen einer Niereninsuffizienz zur Erhöhung der Konzentration von harnpflichtigen Substanzen (Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure und andere) im Blut.

Akutes Nierenversagen tritt plötzlich auf.

Eine chronische Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) entwickelt sich allmählich.

Klinisch wird die Niereninsuffizienz eingeteilt in:

  • Akutes Nierenversagen (ANV) bzw. akute Niereninsuffizienz
  • Chronisches Nierenversagen (CNV) bzw. chronische Niereninsuffizienz

…nach glomerulärer Filtrationsrate

Anhand der glomerulären Filtrationsrate (GFR) kann man die Niereninsuffizienz in fünf Schweregrade einteilen:

Stadium GFR ICD10-Code Nierenerkrankung
1 > 89 N18.1 …mit normaler Nierenfunktion
2 60-89 N18.2 …mit milder Funktionseinschränkung
3 30-59 N18.3 …mit moderater Funktionseinschränkung
4 15-29 N18.4 …mit schwerer Funktionseinschränkung
5 < 15 N18.5 Chronisches Nierenversagen

Im Stadium 1 und 2 ist zur Diagnose einer Nierenkrankheit immer der Nachweis einer Proteinurie oder ein pathologischer Befund in einem bildgebenden Verfahren erforderlich. Patienten mit einer milden Nierenfunktionseinschränkung (GFR 60-89 ml/min/1,73m²), bei denen man keine Proteinurie oder andere pathologische Veränderungen an den Nieren feststellen kann, sind nicht nierenkrank.
Eine andere Möglichkeit der Einteilung ist die Klassifizierung in Abhängigkeit von den Retentionswerten. Dabei wird die Niereninsuffizienz in 4 Stadien eingeteilt.

Stadium 1 – Funktionseinschränkung
Im Stadium 1 der Niereninsuffizienz liegt eine Funktionseinschränkung der Niere vor. Die Kreatinin-Werte liegen zwischen 1,2 mg/dl – 2 mg/dl. Jedoch muss nicht jede Funktionseinschränkung der Niere in diesem Stadium zu einer Erhöhung des Serumkreatinins führen. Erst ab einer Abnahme der GFR um 50% steigt das Kreatinin im Serum an.

Daher kann eine Niereninsuffizienz trotz Kreatininwerten im Referenzbereich vorliegen. Zur Aufdeckung solch maskierter Fälle der Niereninsuffizienz eignet sich die Bestimmung der Clearance, beispielsweise der Kreatinin-Clearance.

Stadium 2 – Kompensierte Retention
Im Stadium 2 spricht man auch von einer kompensierten Retention oder Azotämie. Die Kreatininwerte liegen zwischen 2-6 mg/dl. In diesem Stadium können harnpflichtige Substanzen noch in ausreichendem Maß ausgeschieden werden.

Stadium 3 – Dekompensierte Retention
Das Stadium 3 ist das Stadium der dekompensierten Retention. Harnpflichtige Substanzen werden nicht mehr in ausreichendem Maß aus dem Blut eliminiert = Präurämie. Die Kreatininwerte liegen zwischen 6-12 mg/dl.

Stadium 4 – Urämie
Das Stadium 4 ist die terminale Niereninsuffizienz, es besteht die Indikation zur Dialyse und/oder zur Nierentransplantation. Die Retentionswerte liegen über 12 mg/dl. Das Erscheinungsbild des Patienten ist durch die klinische Symptomatik der Urämie geprägt.
Aufgrund zunehmender Rückfragen über die Definition und die Kodierbarkeit des akuten Nierenversagens stellt die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie folgende Empfehlung zur Beurteilung des akuten Nierenversagens zur Verfügung:

Beim akuten Nierenversagen kommt es zu

  • „einem raschen Abfall der glomerulären Filtrationsrate.
  • Ein akutes Nierenversagen liegt bei Anstieg des Serumkreatinins von einem gemessenen oder angenommenen Ausgangswert um mehr als 50 % innerhalb von 7 Tagen oder bei einem Anstieg über einen gemessenen Ausgangswert um mehr als 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden vor.
  • Außerdem liegt ein akutes Nierenversagen bei nicht dehydrierten Patienten mit einer gemessenen Urinausscheidung von weniger als 0,5 ml/kg/h in 6 Stunden vor. Die Diagnose “akutes Nierenversagen” ist unabhängig von der Notwendigkeit einer Dialysebehandlung und unterliegt in jedem Fall der klinischen Einschätzung des Patienten durch den behandelnden Arzt.“

Folgende Diagnostik werden Sie im stationären Verlauf abgebildet sehen:

  • Körperliche Untersuchung
  • Bildgebende Diagnostik: Sonografie, Farbkodierte Dopplersonografie (FKDS); CT, MRT, Angiografie, Ausscheidungsurografie, Nierenszintigrafie
  • Bestimmung der Retentionswerte im Blut
  • Urinanalyse: Urinsediment; 24-Stunden-Sammelurin (Proteinurie)
  • Bestimmung der GFR: Kreatinin-Clearance; Cystatin C
  • Nierenbiopsie
  • 24-Stunden-Blutdruckmessung

Die Therapie der Niereninsuffizienz richtet sich im stationären Verlauf nach dem Grad des Funktionsausfalls und nach der auslösenden Krankheitsursache. Bei leichten bis moderaten Funktionseinschränkungen liegt das Hauptaugenmerk der Therapie darauf, eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion zu verhindern und entsprechende Risikofaktoren (z.B. Hypertonie, Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Rauchen, Analgetikaabusus) auszuschalten. Dieses Vorgehen wird durch diätetische Maßnahmen (eiweißreduzierte Ernährung, Kochsalzrestriktion, hohe Trinkmenge) ergänzt.

Eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz, die zur Retention harnpflichtiger Substanzen führt, macht eine Nierenersatztherapie (Peritonealdialyse, Hämofiltration, Hämodialyse) notwendig. Zusätzliche Maßnahmen sind die Gabe von Erythropoetin und Phosphatbindern. Eine, durch den Mangel an Spenderorganen nur limitiert verfügbare Alternative, ist die Nierentransplantation.

2015 wurden in die Kategorie N17.- Akutes Nierenversagen der ICD-10-GM fünfte Stellen zur differenzierten, stadiengerechten Kodierung des akuten Nierenversagens gemäß den KDIGO-Leitlinien aufgenommen, damit ist zwar eine stadiengerechte Abbildung auf der 5.Stelle möglich, allerdings finden sich damit auch die Stadien 1 und 2 unter der Bezeichnung „akutes Nierenversagen“.

Zur klinischen Abgrenzung der akuten Nierenschädigung (AKI)/des akuten Nierenversagens von einem lediglich durch Exsikkose bedingten Anstieges der Retentionswerte ist allerdings bei den Stadien 1-3 der Hinweis „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ eingefügt worden.

Liegt ein prärenales akutes Nierenversagen vor (Stadium Failure nach RIFLE bzw. Stadium 3 nach AKIN), ist dies mit N17.9 Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet zu verschlüsseln.

  • Wenn die akute Nierenschädigung (erhöhtes Kreatinin) bei Aufnahme vorlag, kann auch der beste Wert nach Besserung des Nierenversagens als Referenzwert genommen werden.

Empfehlung

  • Sollte die Forderung der Kostenträger auf “mindestens dreifacher Kreatininanstieg” bestehen, würden wir Ihnen empfehlen das Sozialgericht anzurufen.

Literaturhinweise:

Gerichtsurteil aus Mainz (SG Mainz S 14 KR 443/11 vom 10.12.2012)

http://www.dgfn.eu/aerzte/drg-geschaeftsstelle/news/newsbeitrag/artikel/klarstellung-zur-kodierung-des-akuten-nierenversagens

http://www.apotheken-umschau.de

https://www.medcontroller.de/catalogs/manual-fallabrechnung-fallprufung/2012-2/fallprufung/3-07-praktische-situationen-und-beispiele/3-07-16-urogenitalsystem/3-07-16-01-akutes-nierenversagen/

http://flexikon.doccheck.com/de/Akutes_Nierenversagen

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